Teilnahme ART KARLSRUHE 2012 H3J22

      Albi Maier 2011 Galerie Voegtle Karlsruhe

                              5.11. - 17.12.2011

          Vernissage Samstag 5.11.2011, 16 Uhr

Albi Maier, Hochebnehof, Öl auf Lw, 30x40 cm, Galerie Voegtle Karlsruhe

Fotoalbum Ausstellung Albi Maier 2011 Galerie Voegtle:



             Abb.: Einladungspostkarte Albi Maier 2011, Foto Eric Schütt 2011 Copyright  

Bild: Albi Maier, Schwarzwaldhöfe, Öl auf Eichenholz, 15x (7x7 cm), 2011, Galerie Voegtle Karlsruhe


Die Landschaft des Schwarzwaldes und seine Bauernhöfe sind für Albi Maier Heimat und Anregung für seine Malerei wie für die Maler vor seiner Zeit, in deren Tradition er sich sieht:  Karl Hauptmann, Herrmann Dischler, Julius Hefner, Fritz Reiß.

Ruhe strahlen die schneebelasteten Höfe auf den Bildern des Malers aus, die im Frühnebel am Morgen mit klarer Form nahezu skulpturenhaft in der Landschaft stehen, im Abendlicht zu dunklen Schattenformen sich ändern, immer Mensch und Tieren Schutz bietend.

Die Beobachtung der Wechselwirkung von Licht und Schatten mit der Landschaft, die auf seinen Wanderungen gewonnenen Eindrücke der Natur fliessen unmittelbar in die Malarbeit im Atelier ein. So entstehen eingestimmte malerische Landschaftsbeschreibungen, die auch manchmal nach einem besonders eindrücklichen Landschaftserlebnis auf einem Spaziergang in der Übermalung eines bestehenden Bildes enden. Gleichsam ein Konzentrat der in der Natur geleisteten Seharbeit und gesammelten Eindrücke stellen die monochromen Malflächen in den Dyptichen dar, die der Maler dem gegenständlichen Landschaftsbild gleichwertig an die Seite stellt.   Raimund Vögtle 2011             


Zu Albi Maier


Der dies schreibt ist selber Maler, ein alter, und er schreibt es, weil er das Werk eines anderen Malers begreifen, sich erschließen möchte. Auf Gelingen kann er nur hoffen, weil er bei sich selbst Gemeinsamkeiten mit jenem erspürt. Diese Betrachtung-schon hier ein Begriff, der mit dem Auge, dem Sehen zusammenhängt-vollzieht sich notwendigerweise außerhalb intellektueller Spekulation im Raum der Einfühlung : im Seelischen.


Albi Maier gibt im Gespräch von sich preis, er sei vor 60 Jahren ins Herzland des Schwarzwaldgebirges hineingeboren worden. Er habe anderswo zu sein nie ertragen und wisse bei Strafe leiblichen und seelischen Verkümmerns ebenda seinen einzig möglichen Lebensort. Er habe eine gründliche Ausbildung im Malerhandwerk absolviert und damit seinen Lebensunterhalt bestritten. Schon früh sei eine zeichnerische Begabung vorhanden gewesen, diese habe er aber nicht weiter gepflegt. Der Zufall habe ihm ein lädiertes Uhrenschild, also eines jener hölzernen, sorgfältig mit gemalten Blumenmotiven geschmückten Zifferblätter historischer Schwarzwalduhren in die Hand gegeben, die bei Sammlern sehr gesucht waren. Dieses habe er sorg fältig restauriert, daraufhin sich nachhaltig in derlei Handwerk eingearbeitet und mit Neuanfertigungen auf Bestellung einen einträglichen Erwerbszweig aufgetan. Bemerkenswert dabei, daß er unversehens der Letzte in einer über zweihundertjährigen Tradition bodenständiger Schwarzwälder Heimatkunsthandwerker geworden ist.


1958 hat der basler Kunsthallenleiter Rüdlinger eine Aufsehen erregende Ausstellung amerikanischer Malerei zusammengetragen. Diese vehement derben, expressiven und ungekannt großzügigen wie auch großformatigen Bilder wurden von vielen Künstlern wie Donnerschläge wahrgenommen und machten auf manche von ihnen einen mitreißenden, alles Bisherige bieder, provinziell und schwächlich erscheinen machenden Eindruck, der zumal im Umkreis der basler Kunstgewerbeschule nachhaltige Folgen zeitigte.

Wichtig sei in unserem Zusammenhang der basler Maler Marcel Schaffner geworden. Dessen Arbeit habe den Anstoß gegeben, der den ortsfesten Schwarzwälder ins Reich der Kunst verpflanzte.

Das war 1992. Albi Maier schlüpfte aus seiner Puppe, entfaltete Flügel und flog seinem Licht entgegen.


Er sei von diesem Beginn an wie ein Wagen auf dem Feldweg zweispurig vorangekommen. Die eine Spur sei die des schweizer Vorbilds, die gegenstandsfreie. In der Tat sind einige seiner Arbeiten in der Druckwiedergabe von solchen Marcel Schaffners nicht zu unterscheiden. Nur vor dem Original zeigt sich, daß eine andere Hand am Werk ist: Albi Maier hat einen starken Bezug zur Stofflichkeit und findet auf der Suche nach dem Dunkel, ohne das es Licht nicht geben kann eine unübliche Materie: das Erdpech. Bitumen als Malfarbe. Je nach Verdünnung mit einem Lösungsmittel lassen sich mit wachsender Dichte von zart lasierenden, teefarbenen über kräftig braune bis tiefschwarze, deckende Töne erzielen. Das Schwarz hat zudem einen eigenen pastosen Materialreiz, der in der vorgenannten Stilrichtung wesentlich zur Bildästhetik beiträgt. (1)


Die zweite Spur ist jene, welche der Maler-Autor dieses Aufsatzes als die für Albi Maier ureigene wertet. Seine zähe Verwurzelung in einem recht eng begrenzten, sogar winzigen Teil der Alten Welt und die Ausschließlichkeit seines nur dort beheimateten Themas fügen diesen Künstler in eine Reihe von Malern ein, die ihren Bildgegenstand bewußt unter völliger Negation der Großstadt und des dort generierten Kulturbetriebs bewahren. Sie malen das Stück Erde, auf dem sie atmen, leben, das es unmittelbar zu sehen, und im Glücksfall des Gelingens, in Hingabe an die Arbeit zu erschauen gibt. Landschaft- begreifbare Manifestation der Schöpfung, die sich im Licht offenbart.(2) Dieses Licht kann man malen. Maler wie Albi Maier müssen es malen, es ist ihre raison d'etre als Künstler. Sie sind damit weltenweit entfernt von dem allergrößten Teil dessen, was im Zeitalter der Moderne bis in unsere Tage als Kunst promoviert und kommerzialisiert wird.


Nun zu diesen Bildern selbst. Es handelt sich also um Landschaftsmalerei, deren Bildgegenstand sich elementar darbietet als ein kleines Stück Erdoberfläche, Ort für eine architektonisch einzigartig prägnante stereometrische Form, das beim überkommenen Bauernhof alles zu seinem autonomen Leben Gehörige- Menschen, Vieh, Futter, Fuhrwerk, Geräte, Brennholz- wie eine brütende Henne unter sich bergende Walmdach. Die auf der Maltafel bis zum oberen Rand verbleibende Fläche hat die Funktion Himmel. Ein Himmel ohne die Raumestiefe, welche in der alten Landschaftsmalerei wesentlicher Teil der Bildsprache war; er wirkt hier wiederholt wie eine Hülle oder ein Vorhang. Die Bilder stellen in ihrer Mehrzahl Winterstimmungen dar. Die harten Grate der Walme sind verschneit und verschmelzen in weichen Übergängen im Bildgefüge. Licht- und Wetterstimmungen werden wesentliche Bildinhalte. Zu diesen Häusern führen keine Wege; von Bewohnern zeugt kein Indiz. (3)


In den nur zwanzig Jahren seines Künstlerseins ist mit den Original-Höfen gar manches vor sich gegangen. Viele sind verschwunden. Warmabbruch (4), irreparable Bauschäden, Unwirtschaftlichkeit haben dafür gesorgt, daß sie heute nicht mehr aufzufinden sind. Allenthalben hat überdies der massenhafte Fremdenverkehr mit der der neuen Nutzung entsprechenden Modernisierung, besser gesagt: Verfälschung der Bausubstanz eingeschlagen. Dreifach isolierte Fenster, vorgehängte Balkone und Synthetikanstriche sind alles andere als Anregungen für eine Malerei, die ihre Motivation, ihre Heimat im Empfindungsleben eines Künstlers aufgehoben weiß.

Albi Maiers Bildtitel weisen konkret auf bestimmte Höfe hin, die sich auch auf den detailreichen Karten des Schwarzwaldvereins aufsuchen lassen. Viel Vergangenes ist durch Fotografien belegt. Man kann sich an die Portraitaufnahmen von Verstorbenen erinnert fühlen, wie sie auf Friedhöfen noch hie und da zu finden sind.

Die alten Höfe bezogen ihr Erscheinungsbild völlig aus der Funktion, die sie zu erfüllen hatten. Diese war eine ganzheitliche, befand sich in selbstverständlicher Harmonie mit ihrer Umwelt. Daher ihre zwingende Ausstrahlung analog zu derjenigen einer wirklichen Persönlichkeit. Diese Harmonie ist nun und für alle Zukunft zerstört durch die rücksichtslose Nachbarschaft zeitgenössischer, stilloser Neubauten. Es darf vermutet werden, daß hier ein Grund für die Ausschnitthaftigkeit und Intimität der Kompositionen vorliegt, die der Landschaft eine große Nähe zum Stilleben aufprägt.


Stille - ein, nein: der Schlüssel zur Kunst von Albi Maier. Er sagt, er sei mit einem Bild erst einig, wenn es vollkommene Stille ausbreite. (5) Es könne geschehen, daß eine Arbeit schon ausgestellt war und nach ihrer Heimkehr ins Atelier sich erweise, daß diese Stille doch noch nicht erreicht sei. Dann gehe es ans Übermalen bis er zu diesem Zustand gelange. Er lege Wert darauf, daß diese Eingriffe spürbar bleiben. Hierdurch ensteht aber wie beiläufig eine zusätzliche Bilddimension: Zeit in Form von ablesbarer Abfolge von Vorher und Nachher. Albi Maier befaßt sich mit Dingen, die waren oder gerade noch sind. Er entzieht sie der Aussicht auf Dauer, weiß um ihre Vergänglichkeit. Wie könnte einem da nicht das große Gedicht dieses Titels in den Sinn kommen, das uns Johann Peter Hebel (6) geschenkt hat? Dort sorgt sich der Bub um den elterlichen Hof:


Fast allmol, Ätti, wenn mer's Röttler Schloß

so vor den Auge stoht, se denki dra,

öb's üsem Hus echt au e mol so goht.

Stoht's denn nit dört so schuderig, wie der Tod

im Basler Totetanz? Es gruset eim,

wie länger as me's bschaut. Und üser Hus

es sitzt jo wie ne Chilchli uffem Berg,

und d'Fenster glitzeren, es isch e Staat.

Schwetz, Ätti, goht's em echterst au no so?

I mein emol, es chönn schier gar nit si.

Und der Ätti antwortet und sagt ein paar Zeilen weiter:

Jo wegerli, und's Hus wird alt und wüest;

der Rege wäscht der's wüester alli Nacht,

und d'Sunne bleicht der's schwärzer alli Tag,

es regnet no dur d'Bühne ab, es pfift

der Wind dur d'Chlimse. Drüber tuesch du au

no d'Auge zu; es chömme Chindeschind

und pletze dra. Z'letzt fuults im Fundement,

und's hilft nüt me.Und wemme nootno gar

zweitusig zehlt, isch alles zsemme gkeit.


Vom Haus bleibt, solange Farbe unsd Malgrund halten und solange es Menschen gibt, die solch unspektakuläre Arbeit begreifen und lieben: ein Kunstwerk - und damit ein Trost. HME (2012)


Anmerkungen

(1) Albi Maier spricht von seiner Bewunderung für die schwarzen, pastos strukturierten von

      Pierre Soulages

  1. Gemeint ist hier die Landschaftsmalerei, wie sie von der École de Barbizon über viele andere bis Worpswede und dem badischen Grötzingen gepflegt wurde. Auch in Freiburg und auf dem Schwarzwald wurde in ihrem Sinne gemalt. Namentlich Herrmann Dischler (1866-1935) und Karl Hauptmann (1880-1947) haben für einen, der Malerei über alle Stile hinweg kritisch betrachtet und schätzt, manch bewundernswertes Bild geschaffen, und das zur selben Zeit da Wassily Kandinski (1866-1944) die Kunstwelt in Atem hielt. Honni soit qui mal y pense.( Ein hausgemachter Schwarzwälder Schinken ist objektiv sicher nicht minder köstlich als ein echter Astrachan-Kaviar. Aber eben unvergleichbar verschieden).

  2. Keine Regel ohne Ausnahme: Auf drei oder vier Bildern ziehen zarte Rauchwölkchen aus dem Kamin; in einem der Häuser stellt ein winziges gelbes Quadrat ein beleuchtetes Fenster dar.

  3. Üblicher Ausdruck für die absichtliche Zerstörung eines aus Holz gebauten Hauses durch Inbrandsetzung, wenn korrekt und legal durchgeführt, unter Überwachung durch die Feuerwehr.

  4. In aller Bescheidenheit, die in diesem Falle gewiß angezeigt ist, sei hier- die grundsätzlichen Unterschiede in der Malweise, in Thematik und Farbgebung wohl bedacht- auf eine gewisse Übereinstimmung mit dem malerischen Wollen eines großen Anderen hingewiesen. Dieser hat ähnlich dem Maler im Schwarzwald seinen engen Lebensraum kaum je verlassen. Sein Zimmer in der Via Fondazza, das beharrliche Gegenüber immergleicher Dinge als Gegenstände seiner Stilleben, und sommers der konzentrierende, Intimität schaffende Blick durch das Fernglas auf die bergige Landschaft um das Dorf Grizzana, unweit seiner Heimatstadt gelegen, waren ihm Welt genug für ein gänzlich der Stille und dem Licht gewidmetes, erfülltes Malerleben: Giorgio Morandi lebte von 1890 bis 1964 in Bologna.

(6) Johann Peter Hebel: Allemannische Gedichte Die Vergänglichkeit


Verfasser: Hans Martin Erhardt, geboren 1935 in Emmendingen.

Studium der Malerei an der Kunstakademie Karlsruhe

bei Wilhelm Schnarrenberger und HAP Grieshaber.

1973 Hans-Thoma-Preis, Bernau.

1980-2001 Professur für Malerei und Grafik an der

Architekturfakultät der Universität Karlsruhe (TH).



Kritik Ausstellung Albi Maier Galerie Voegtle,  Michael Hübl Badische Neueste Nachrichten 24.11.2011

                                       

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